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Wenn Führung das System nicht mehr versteht

Eine Langzeitbeobachtung aus über drei Jahrzehnten IT-Praxis

Wenn Führung das System nicht mehr versteht
Seit 1990 arbeite ich als Freelancer und Leiter eines IT-Ingenieurbüros in unterschiedlichsten Unternehmen – vom Mittelstand bis zum Konzern. Meine Projekte dauerten zwischen sechs Monaten und drei Jahren. Wer so lange immer wieder „von innen“ arbeitet, erkennt irgendwann weniger Einzelfälle und mehr Muster.

Viele dieser Muster sind positiv. Eines jedoch ist über Jahrzehnte hinweg erschreckend konstant – und zunehmend zerstörerisch:

    Ein großer Teil der IT-Entscheidungen wird heute von Menschen getroffen,
    die keine fachlichen Wurzeln in der IT haben.

Das ist kein persönlicher Vorwurf. Die meisten dieser Führungskräfte handeln nach bestem Wissen und mit ehrlicher Absicht. Das Problem ist kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles.


Die Illusion der Austauschbarkeit

Das Kernproblem liegt in einer folgenschweren Fehleinschätzung:
IT-Spezialisten werden wie austauschbare Arbeitskräfte behandelt.

Nach dem Muster:

    Es gibt einen Plan – und wer ihn umsetzt, ist zweitrangig.

Dieses Denken mag in standardisierten Tätigkeiten funktionieren.
In hochkomplexer Wissensarbeit funktioniert es nicht.

Softwareentwicklung, IT-Architektur und Systembetrieb sind keine Fließbandprozesse.
Ein erfahrener Spezialist ist nicht durch zwei oder drei Junioren ersetzbar.
Wissen skaliert nicht linear. Erfahrung schon gar nicht.

Wer das ignoriert, baut Systeme auf, die kurzfristig stabil wirken – und langfristig teuer kollabieren.


Fünf Symptome fachfremder IT-Führung

Über viele Jahre hinweg zeigen sich immer wieder dieselben Muster, unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße.

1. Der Headcount-Irrtum

Erfahrene Spezialisten sind teuer. Und sie sind unbequem, weil sie widersprechen, wenn Anforderungen technisch unsinnig sind.

Die scheinbar rationale Lösung:
Der Senior geht – drei Junioren kommen.

Auf dem Organigramm wächst das Team.
In der Realität sinken Wissensdichte und Produktivität.
Technische Schulden entstehen, die erst Jahre später sichtbar werden – dann aber mit voller Wucht.

2. Aufgabenverteilung ohne Fachlogik

Fehlt technisches Verständnis, werden Aufgaben nach Verfügbarkeit verteilt, nicht nach Kompetenz.

Der Datenbankexperte arbeitet am Frontend, der Architekt schließt Tickets.
Das ist, als würde man im Krankenhaus den Anästhesisten bitten, schnell den Blinddarm zu operieren – beides sind ja Ärzte.

3. Autorität als Schutzschild

Wer nicht versteht, was im eigenen Verantwortungsbereich geschieht, fühlt sich unsicher.

Diese Unsicherheit äußert sich häufig in einem instabilen Führungsstil:
mal autoritär („Wir machen das jetzt so.“),
mal überzogen kameradschaftlich („Wir sitzen doch alle im selben Boot.“).

Beides verhindert fachliche Diskussion.
Und wo nicht diskutiert werden darf, kann ein System nicht lernen.

4. Wenn Dashboards die Realität ersetzen

Was in Jira-Reports und PowerPoint-Folien steht, ist steuerbar und präsentierbar.
Was Admins in Logs sehen oder erfahrene Entwickler beiläufig ansprechen, ist es nicht.

Also wird die Karte mit dem Gebiet verwechselt.
Und Warnsignale werden erst ernst genommen, wenn sie teuer geworden sind.

5. Das Schweigen der Fachleute

Das vielleicht gravierendste Symptom: Die Teams wissen es – und schweigen.

Wer seinen Vorgesetzten fachlich korrigiert, gefährdet die eigene Karriere.
Also wird genickt, umgesetzt und später extern repariert.

Das System bestraft Wahrheit und belohnt Anpassung.


Ein Blick zurück: Warum Führung früher anders gedacht wurde

Ich habe in der DDR Informatik und Elektrotechnik studiert. Neben der reinen Technik gehörten Arbeitsrecht, Arbeitsschutz, Mitarbeiterführung, Projekt- und Ressourcenplanung verpflichtend zur Ausbildung. Nach dem Studium folgte eine gezielte Weiterbildung zum Abteilungsleiter.

Ja, es gab ideologische Pflichtfächer. Aber gerade dort geschah etwas Entscheidendes:
Man musste sich mit geschlossenen Denkmodellen auseinandersetzen, ihre Logik verstehen – und ihre Widersprüche erkennen.

Diese Ausbildung zielte nicht auf Fachidioten.
Sie zielte auf Verantwortungsträger.

Nicht um zu gehorchen, sondern um Systeme zu verstehen – und notfalls infrage zu stellen.

Dass der gesellschaftliche Umbruch in der DDR maßgeblich von genau dieser Generation getragen wurde, ist kein Zufall. Der Samen kritischen Denkens war längst gelegt.


Das heutige Missverständnis von IT-Führung

Heute wird IT-Führung oft auf drei Dinge reduziert:
  • Budgetverwaltung
  • Personalorganisation
  • Statusberichte
Systemverantwortung tritt in den Hintergrund.

Eine IT-Führungskraft muss nicht den besten Code schreiben.
Aber sie muss verstehen,
  • was guter Code ist,
  • warum komplexe Systeme Zeit brauchen,
  • und warum Denken manchmal produktiver ist als hektische Aktivität.
Solange Fachkompetenz in der Führung als „optional“ gilt, werden wir weiterhin Milliarden in gescheiterten oder instabilen IT-Systemen verbrennen.


Ein Wort an Führungskräfte, die nicht aus der IT kommen

Dieser Text richtet sich ausdrücklich auch an Führungskräfte,
die ihren Weg nicht über die IT genommen haben.

Das ist kein Makel. Viele erfolgreiche Organisationen wurden von Menschen geführt,
die nicht jedes Detail selbst beherrschten.

Entscheidend ist etwas anderes:

    Ob man akzeptiert, dass man ein System führt, das man nicht intuitiv versteht.

IT ist kein Fachgebiet wie andere.
Sie ist ein hochgradig vernetztes, nicht-lineares System,
in dem kleine Fehlentscheidungen große Wirkungen entfalten können – oft zeitverzögert.

Wer IT führt, ohne sie fachlich einordnen zu können, steht vor einer Wahl:
  • Entweder man ersetzt Verständnis durch Kontrolle, Prozesse und Kennzahlen

  • oder man schafft bewusst Räume, in denen fachliche Wahrheit gesagt werden darf – auch dann, wenn sie unbequem ist

Gute IT-Führung bedeutet nicht, alles selbst zu wissen.
Aber sie bedeutet, zu erkennen, wo eigenes Wissen endet
und wem man dort zuhören muss.

Erfahrene Spezialisten sind kein Risiko für Autorität.
Sie sind ein Frühwarnsystem.

Wer ihre Einwände nicht als Störung, sondern als Signal begreift,
führt nicht schwächer – sondern professioneller.

Dieser Text ist keine Anklage.
Er ist eine Einladung zur Selbstprüfung:

    Habe ich ein System geschaffen, das mir sagt, was ich hören will –
    oder eines, das mir sagt, was ich wissen muss?

Die Antwort darauf entscheidet nicht nur über Projekte.
Sie entscheidet über die Zukunftsfähigkeit ganzer Organisationen.


Ein leiser persönlicher Schluss

Ich schreibe diesen Text nicht, um Recht zu behalten.
Und auch nicht, um jemanden bloßzustellen.

Ich schreibe ihn, weil Systeme nur dann eine Chance haben, sich zu korrigieren, wenn ihre blinden Flecken benannt werden – ruhig, sachlich und ohne Schuldzuweisung.

Vielleicht wirkt dieser Text heute unbequem.
In zwanzig Jahren wird er entweder selbstverständlich sein.

Oder man wird sich fragen, warum man die Warnsignale so lange übersehen hat.


Ein letzter Gedanke

Vielleicht liegt das eigentliche Problem unserer Zeit nicht darin, dass wir die falschen Ziele verfolgen.
Sondern darin, dass wir verlernt haben, zwischen Sache und Ideologie zu unterscheiden.

Eine Sache erkennt man daran, dass sie Widerspruch aushält, sich an der Realität messen lässt und bereit ist, aus Fehlern zu lernen. Ideologie beginnt dort, wo Kritik als Störung gilt und gute Absichten wichtiger werden als ihre tatsächliche Wirkung.

Organisationen – ob staatlich oder privat – bleiben nur dann handlungsfähig, wenn Wahrheit höher bewertet wird als persönliche Absicherung und fachlicher Widerspruch nicht als Illoyalität, sondern als Verantwortung verstanden wird.

Vielleicht ist genau das die eigentliche Führungsaufgabe der Zukunft:
nicht alles besser zu wissen, sondern den Mut zu haben, die richtigen Fragen zuzulassen – auch dann, wenn sie unbequem sind.




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